Langsamer Tod der Friedenseiche in Tengern

Tengern – ein Dorf mit Tradition und Zukunft. So lautet der Titel der Tengeraner Dorfchronik, an der viele Tengeraner Bürger zur 850-Jahr-Feier vor 12 Jahren mitgewirkt haben. Eines der ganz besonderen Wahrzeichen und Zeitdokumente ist nun so beschädigt, dass es für immer verloren ist:

2013_07_19_Blick in die Krone der Friedenseiche
Trostlos steht sie da: kaum ein Vogel sitzt in den Ästen. Die Friedenseiche wurde zerstört.

Die Friedenseiche am alten Schul- und Bethaus. (zur Geschichte siehe Info-Kasten). Diese genau 100 Jahre alte Eiche stirbt langsam, Jahr für Jahr ein bisschen mehr ab, weil Unbekannte eine tiefe Einschnittfurche in den Stamm ringsum gesägt haben.

„Damit wird die Saftbahn unwiderruflich durchtrennt und der Baum ist zerstört“, erklärt Wolfgang Sack vom NABU Minden-Lübbecke. So einen Schnitt würden diejenigen vornehmen, die sich damit auskennen, weiß Sack von der Geschäftsstelle Minden.

2013_07_19_tiefer Schnitt in Friedenseiche
Tiefer Einschnitt. Damit ist die Saftbahn unwiderruflich zerstört.

Ortsheimatpfleger Gerhard Meier ärgert sich über diese Zerstörung eines so geschichtsträchtigen Objektes sehr: „Ich konnte es nicht fassen, als ich das beim Spazierengehen sah!“ und hat sich kürzlich mit seiner Beobachtung an die Gemeinde gewendet. Bürgermeister Wilhelm Henke antwortet auf Nachfrage: „Das ist wirklich sehr schade, ein gravierender Fall. Aber wir können nichts machen!“ Diese bewusste Beschädigung sei auch einmalig, soweit er das wüsste.

Bemerkt wurde diese Beschädigung erst vor einigen Wochen von Gerhard Meier. Doch ihm war schnell klar, dass der Baum nicht zu retten ist. Allerdings ist der Schaden schön älter, als gedacht: Seit acht Jahren wohnt Wasili Kraus an der Tengerner Straße im alten Schul- und Bethaus. Doch als er vor drei Jahren mit seiner Familie aus dem Sommerurlaub zurückkehrte, musste er feststellen, dass die alte Eiche auf seinem Grundstück ringsum eingesägt war, erzählt er. Wer das gemacht haben könnte, „weiß ich nicht.“

2013_07_19_Friedenseiche stirbt
Ein trauriger Anblick eines so alten und stattlichen Baumes.

Verhindert werden hätte dieser Vorgang zum Beispiel durch eine Baumschutzsatzung. Denn dann hätte geprüft werden müssen, ob eine rechtswidrige Handlung vorliegt oder ob ein Fällantrag gestellt wurde, beschreibt Zoologe und Mitarbeiter des NABU Bundesverbandes Julian Heiermann. Doch eine Baumschutzsatzung gibt es in der Gemeinde nicht. „Darüber haben wir im Rat vor vielen Jahren mal gesprochen; sie war aber nicht erwünscht“, ergänzt der Bürgermeister und schließt nicht aus: „Wir können gerne noch mal darüber diskutieren und die gesamte Situation mit einbeziehen…!“

2013_07_19_Friedenseiche_nur noch wenige kleine Blätter
Nur noch wenige Knospen sind vorhanden – doch eine gesunde Eiche würde voller Blätter sein.

Hier könnte der Kreis Minden-Lübbecke als Untere Landschaftsschutzbehörde tätig werden. Sabine Ohnesorge, Pressesprecherin des Kreises, erklärt, dass sie generell alte schützenswerte Baumbestände erhalten wollen; so wäre es eine Möglichkeit, ganz besondere Bäume als Naturdenkmäler auszuweisen, so Ohnesorge. Doch die Friedenseiche ist als solches „Denkmal“ oder schützenswertes Objekt nicht registriert, bestätigt Ohnesorge. Als „Rat“ an die Kommunen nennt sie: „Wir setzen uns gerne ein und unterstützen.“ So hat jeder Bürger, aber die Kommunen selbst die Möglichkeit, erhaltenswerte Bäume zu benennen und einen Antrag auf Naturdenkmal bei der Unteren Landschaftsbehörde zu stellen, erklärt auch Markus Fischer, Pressereferent des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) in Münster, die eher für den Denkmalschutz von Gebäuden und Gärten zuständig sind.

2013_07_19_Friedenseiche_ringsum Furchenschnitt
Komplett ringsum eingesägt: Das Todesurteil dieser 100-jährigen Friedenseiche.

„Wir wünschen uns, dass noch mehr einzelne Bäume erhalten bleiben und als Naturdenkmal ausgewiesen werden. Doch dafür müssten verschiedene Kriterien erfüllt sein.“, spornt Heiermann an. Die Tengeraner Friedenseiche erfülle eins der zahlreichen Kriterien ganz sicher, zeigt Heiermann auf: das Alter und die Eigenheit durch den geschichtlichen Wert.

Auch Anja Hegener, Pressesprecherin der Bezirksregierung Detmold äußert sich zum „´Fall´ Friedenseiche“: „Die Kollegen vom Natur- und Landschaftsschutz sagten mir, dass die Untere Naturschutzbehörde doch der richtige Ansprechpartner sei. Die Ordnungsbehörden vor Ort entscheiden über diesen Fall.“

Fest steht: die Friedenseiche wird zu Fall kommen – früher oder später. Nur noch wenige Knospen und winzige Blätter sind an der knochigen Eiche sichtbar.

„Für Tengern war diese Friedenseiche ortsbildend prägend. Damit wird die Bedeutung um die Geschichte einfach weggenommen. Es bleiben nur noch Fotos und Berichte in den Chroniken.“, bedauert Wilhelm Henke.

Der Heimatverein wird sich dafür einsetzen, dass eine neue Friedenseiche gepflanzt wird. „Sie kann das ursprüngliche Wahrzeichen nur leider nicht ersetzen.“, bedauert Horst Jording.

 

Infokasten (Auszug aus der Schulchronik; hier in: „Seit 1425 Kirchengemeinde Schnathorst“, Seite 240)

Die Friedenseiche. „Im Herbst 1913 gedachten wir der Befreiung unseres Vaterlandes von der Herrschaft der Franzosen, insbesondere der Völkerschlacht bei Leipzig vom 16. – 18. Okt. 1813. Am 20. Okt. 1913, also am ersten Schultage nach den Herbstferien, wurde zur Erinnerung an die große, erhebliche Zeit vor 100 Jahren an der südlichen Seite des Schul- und Bethauses an der Straße eine Eiche gepflanzt. Die alten Krieger von 1864,1866, 1870/71 und einige Schulknaben halfen die Eiche pflanzen. Die ganze Schuljugend und die Vereinenahmen an der Fier teil. Herr Superintendent Kuhlo hielt eine Ansprache, in welcher er die Eiche als „Friedenseiche“ bezeichnete.“ Weiter heißt es in der Kirchenchronik: „Soweit die Chronik! Bittere Ironie der Geschichte: Die „Friedenseiche“ stand noch nicht einmal ein ganzes Jahr, da brach der Erste Weltkrieg aus.“

Kriterien/Anforderungen an ein Naturdenkmal:

Ein Schutz begründet sich durch den Seltenheitswert, die Eigenart, besondere Schönheit, einen Wert für die Wissenschaft / Heimatkunde, ein Naturverständnis, oder ob es ein Volumen mit für Nischen für seltene Vögel, Insekten uvm. In Deutschland ist der Schutz von Naturdenkmälern in §28 des Bundesnaturschutzgesetzes und in den Länder-Naturschutzgesetzen verankert.

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